Volkschor Thalia 1903

Frankfurt am Main - Zeilsheim e.V.

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Beim Klabautermann: Ein Konzert, das Wellen schlägt

ZEILSHEIM - Drei Chöre verwandeln die Stadthalle mit Seemannsliedern aller Couleur in eine Hafenkneipe

Harmonie pur: Heinz Marosch dirigiert den Thalia-Chor und die Sängervereinigung Sulzbach. FOTO: maik reußWer von den gut 330 Besuchern am Sonntagnachmittag in der Stadthalle Zeilsheim die Augen schloss, vermochte salzige Seeluft zu riechen, Schiffsplanken knarzen. Möwen schreien, Stürme brausen und Wellen schlagen zu hören: So überzeugend gelang dem gastgebenden Thalia-Chor, der Sängervereinigung Sulzbach und dem Shanty-Chor Oberursel ihr gemeinsames Konzert unter dem Motto „Leinen los, Thaliano“ mit Seemannsliedern aller Couleur. 

Sind die beiden erstgenannten Chöre auf den rein maritimen musikalischen Gewässern eher Leichtmatrosen, heuerten sie mit den Orschelern mit allen Wassern gewaschene Seebären an. Denn die Sänger aus dem Taunus sind sogar an Nord- und Ostseeküste gerngesehene Gäste. Wie alles zusammenfließt und auch im Hessenland ein Stück Waterkant gedeihen kann, erklärt Chorleiter Stephan Gränz mit einer einleuchtenden Geografie-Stunde: „Unser Urselbach fließt in die Nidda, die in den Main, der in den Rhein - und der schließlich ins Meer!“

Abgesang auf die maritime Lebensart

Mit allen Wassern gewaschen: der Shanty-Chor Oberursel. FOTO: FORSTMit „Wo die Nordseewellen trekken an den Strand“ brachte der Shanty-Chor, begleitet von Gitarre, Akkordeon und Bass, alle acht Tischreihen zum Schunkeln. Der „Mingulay Boat Song“ bewirkte einen echten Gänsehaut-Moment: Der Schotte Sir Hugh Roberton schrieb das Lied in den 1930er Jahren als melancholischen Abgesang auf die verloren gegangene maritime Lebensart - es hat bis heute nichts von seiner Wirkung verloren. 

So gut der Shanty-Chor auch war: Verstecken mussten sich Thalia-Chor und die Sängervereinigung nicht. Beim Klabautermann: Der Auftritt der Lokalmatadoren fesselte das Publikum schon durch die souveräne Moderation ihres Dirigenten Heinz Marosch. Den hatte man krankheitsbedingt zuletzt längere Zeit nicht mehr auf der Bühne gesehen. 

Jimmys Sehnsucht nach Juanita

Seine Rückkehr war jetzt umso überzeugender. Marosch verwob zwischen den Liedern geschickt unterhaltungsmusikalische Historie mit Seemannsgarn - und streute gelegentlich kleine Witze im norddeutschen Dialekt ein. Wie den vom Seebären, der nach langer Fahrt nach Hause kommt und seinen verschreckten Sohnemann beruhigt: „Du brauchst keine Angst haben. Ich bin doch Dein Vadder!“ Worauf der erwidert: „Jaja, das sagen sie alle!“ Für Freddy Quinns Klassiker „Die Gitarre und das Meer“ hängte sich Marosch passenderweise die Konzertklampfe um den Hals und streute ein paar Akkorde ein in die Saga um Jimmy Brown, dem Seemann mit dem liebeskranken Herzen und der Sehnsucht nach seiner Juanita. 

Im Ursprung sind Shantys ja Arbeitslieder der Matrosen - doch bei „Thaliano“ und der Sängervereinigung hörte sich alles mühelos an. Etwa, wie sich bei „Ein Schiff wird kommen“ die vielstimmigen Harmonien mit dem Mandolinenklang verwoben. Oder wie sich bei den legendären „Capri-Fischern“ Männer und Frauen das vokale Ruder wechselseitig in die Hand gaben. 

Nach der Pause schlug das Shanty-Konzert weiter Wellen: So begeisterte Susanne Fernholz, selbst Sopranistin im Chor, auch als Solistin am Flügel. „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ und „Schön ist die Liebe im Hafen“ berührte ebenso wie Kerstin Ostermeier (Alt im Chor) mit der unzerstörbaren „Lili Marleen“. Wie hatte Heinz Marosch noch eingangs gesagt? „Hans Albers ist tot, Freddy Quinn nicht mehr der Jüngste; der Hamburger Hafen läuft heute fast vollautomatisch. Und wer von weiter Ferne träumt, nimmt eher das Flugzeug statt das Schiff.“ Am besten aber, möchte man ergänzen, er kauft ein Ticket fürs „Thaliano“-Konzert. Michael Forst