Volkschor Thalia 1903

Frankfurt am Main - Zeilsheim e.V.

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Musical in der Stadthalle

Thalia wagt sich an die "Löwengrube"

Von Ulrich Müller-Braun

Zeilsheim. «Experimentieren, neue Herausforderungen annehmen und verwirklichen» - dies ist seit Jahren das Motto des Volkschor Thalia. Was die 70 Sängerinnen und Sänger allerdings in diesem Frühjahr auf die Beine stellen, übertrifft dabei alles bisher Dagewesene und ist durchaus vergleichbar mit dem Einzug eines Landesligisten in die erste DFB-Pokalhauptrunde. Mit den Bayern als Gegner, versteht sich.

Kein Wunder also, wenn Heinz Marosch, der mit der Projektleitung, der Regie und der Leitung des Chores gleich drei deftige Verantwortungsbereiche auf sich vereint, bei der eigens anberaumten Pressekonferenz nahezu folgerichtig im Sportlerjargon die Trauben ganz nach oben hängte: «Wir haben in der Vorbereitung schon gemerkt, dass wir mit dieser Arbeit an unsere Grenzen gestoßen sind, aber wir werden alles geben und alle sind bis in die Haarspitzen motiviert», betrieb der 57-jährige das beliebte Understatement.

Denn wer ihn und die Entwicklung des Chores seit der Zusammenlegung von Frauen- und Männerchor 1996 kennt und verfolgt hat, weiß: Der Versuch, die biblische Geschichte um Daniel in der Löwengrube aus der Zeit des babylonischen Reiches mit fetzigen Songs, leuchtenden Kostümen und großartigen Kulissen in die Zeilsheimer Stadthalle zu bringen, mag abenteuerlich klingen. Dank der wie gewohnt akribischen Vorbereitung wird er es allerdings keineswegs sein. Auch wenn der Chor völlig selbstständig, sprich ohne Dirigent, arbeiten muss und neben dem Gesang schauspielerische und choreografische Elemente in dem 100-minütigen Werk umgesetzt werden müssen. Dies hat schon die Aufführung des Weihnachts-Musicals 2003 bewiesen.

So wie Marosch es als Entertainer Benny Maro versteht, gleichzeitig mit dem Mund und dem Bauch zu reden, so scheint er auch als Spiritus Rektor vielstimmig zu sein. Anders ist es kaum vorstellbar, dass es dem Mann immer wieder gelingt, die Messlatte Stück für Stück höher zu legen. Wobei das aktuelle Projekt die erste Musical-Produktion ganz ohne Frage bei weitem übertrifft. «Beim Weihnachtsmusical mussten 20 Chormitglieder gleichzeitig spielen und singen. Diesmal sind es 50», rechnet die erste Vorsitzende des Volkschores, Agnes Hartmann, vor. Da muss selbst die Übergabe der vier Handmikrofone - sechs Headsets werden zudem im Einsatz sein bis ins Detail abgestimmt

werden. Immerhin mehr als ein halbes Jahr Probezeit hat sich der Chor selbst auferlegt. Seit Januar findet man die meisten Mitglieder sogar zwei Mal pro Woche in der Stadthalle, um minutiös einzustudieren, was am 24. April um 17 Uhr für Furore sorgen soll. Sämtliche Kostüme wurden dabei nebenher selbst geschneidert oder über Beziehungen ergattert. Im «Fundus», sprich der Sakristei der Bartholomäus Gemeinde etwa fand sich die gesamte Kollektion für die Ministergilde sowie König Belsazar. Und die Marktfrauen erinnern zu Recht an die 1200 Jahrfeier des Stadtteils. Dort nämlich kamen die Gewänder schon einmal zu Geltung.

Geradezu unvergleichlichen Weitblick schließlich bewies Marosch mit einer Chorreise nach Ägypten vor mehr als zehn Jahren. Die damals von nahezu allen als Souvenir mitgebrachten Galabeas sorgen heuer für Authentizität auf der mit mehr als 22 Metern imposanten Bühne. Und sie sprechen eine deutliche Sprache für die geringe Fluktuation innerhalb des Chores. Die meisten, die 1993 auf Reise gingen, sind heute noch dabei. Eine Tatsache, die auch Marosch in seinem Ansatz, zukunftsorientierte Chormusik zu bieten, bestätigen.

«Wo andere Chöre über ausbleibende Mitgliederzahlen klagen müssen, geht es bei uns sukzessive aufwärts», weiß der Chorleiter. Auch wenn es noch immer schwer fällt, auch einmal jüngere Männer zum Singen zu bringen. «Der Altersschnitt liegt bei etwa 65 Jahren, wobei in den letzten Jahren gerade der Frauennachwuchs deutlich unter 30 Jahre gesunken ist.» Dass Alter dabei selbst vor höchstem Engagement nicht schützt, unterstreicht die Tatsache, dass mit Liselotte Schwarz und Willi Grau selbst zwei 80-Jährige mit von der Partie sind, und bei den 45 Singstunden im Jahr zwei Drittel der Chormitglieder immer anwesend waren. Und das, obwohl Chorleiter Marosch, wie die Thalia-Chefin bestätigt «auch schon man wild wie ein Dobermann zur Sache kommt». Als leuchtendes Beispiel einer späten Sängerkarriere darf im übrigen Erich Grein gelten, der dem Chor jahrelang als passives Mitglied angehörte, bevor er zu singen begann.